Holocaust-Opfer Anne Frank: Zwei Jahre vor den Nazis versteckt, verraten und im KZ Bergen-Belsen umgekommen (2024)

Stand: 26.09.2024 08:50 Uhr

Zwei Jahre hielt sie sich vor den Nazis versteckt. Ihr Tagebuch ist ein einzigartiges Dokument des Holocaust. An ihrem Geburtstag, dem 12. Juni, findet seit 2017 jährlich der Anne-Frank-Tag statt - ein bundesweiter Aktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus.

Amsterdam, Prinsengracht 263: Hier versteckt sich das jüdische Mädchen Anne Frank von 1942 bis 1944 vor den Nazis. Aus Deutschland in die Niederlande geflüchtet, betreibt ihr Vater Otto Frank hier seit 1940 die Lebensmittelfirma Nederlandsche Opekta. 1942 entschließt er sich, im Hinterhaus, das als Labor genutzt wird, ein Versteck für seine Familie einzurichten. Als Annes drei Jahre ältere Schwester Margot am 5. Juli unter Haftandrohung für die gesamte Familie aufgefordert wird, sich für den Abtransport in ein Arbeitslager in Deutschland zu melden, taucht die Familie mit anderen Verfolgten in ihrem Versteck unter. Die Wohnungstür wird hinter einem Bücherregal versteckt. Im Vorderhaus halten die Angestellten der Opekta derweil den Betrieb am Laufen.

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Normales Leben in Amsterdam - bis zum Nazi-Einmarsch

Eine geheime Wohnung in der Amsterdamer Prinsengracht wird zwei Jahre zum Versteck vor den Nazis.

Anne Frank, geboren am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main, ist damals 13 Jahre alt. Seit ihrem fünften Lebensjahr lebt die Familie in Amsterdam, denn seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist es für Juden in Deutschland zunehmend gefährlicher geworden. In den Niederlanden führt Anne zunächst ein ganz normales Leben, geht in die Schule und findet dort mit Hannah Goslar eine enge Freundin. In der Schule hat Anne besonders viel Spaß daran, Geschichten zu schreiben - aber was sie schreibt, zeigt sie nicht mal ihrer Freundin Hannah. Ansonsten teilen die beiden Mädchen in den kommenden Jahren alle Geheimnisse. Anne ist klug und lustig und manchmal auch etwas vorlaut.

Poesiealbum wird zu Anne Franks Tagebuch "Kitty"

Das Tagebuch von Anne Frank ist ein einzigartiges Dokument des Holocaust und wird im Anne-Frank-Haus in Amsterdam aufbewahrt.

Zu ihrem 13. Geburtstag bekommt sie ein kleines Poesiealbum geschenkt. Rot-weiß kariert ist es mit einem Umschlag aus Stoff. Von diesem Tag an schreibt sie alles, was sie bewegt, hier hinein - in Form eines Briefes an ihre Freundin "Kitty", die es nur in Annes Fantasie gibt. Nur drei Wochen später ist das beschauliche Leben für Anne vorbei. Die Nationalsozialisten sind in die Niederlande einmarschiert und schicken sich an, auch hier alle Juden zu verhaften. Die Familie Frank und vier jüdische Niederländer, die Familie van Pels und der Zahnarzt Fritz Pfeffer, verbarrikadieren sich im Hinterhaus der Prinsengracht 263. In der eigentlichen Wohnung im Vorderhaus täuschen die Franks eine Flucht in die Schweiz vor und hinterlassen einen entsprechenden Zettel. Unterstützung bekommen sie von Otto Franks Sekretärin Miep Gies.

"Ich habe Angst vor den Zellen und Konzentrationslagern"

Anne fällt es schwer, den ganzen Tag über leise zu sein, und auf die anderen Bewohner Rücksicht zu nehmen. Eng und stickig ist es in der kleinen Wohnung, in der nun acht Menschen leben. Trotzdem bleibt sie hoffnungsfroh. Sie verbringt ihre Tage damit, viele Bücher zu lesen - und ausführlich in ihr Tagebuch zu schreiben. Über das Leben auf engstem Raum, Konflikte. Und über die Kraft, die sie im Glauben findet: "Ich weiß, dass ich nicht sicher bin. Ich habe Angst vor den Zellen und Konzentrationslagern. Aber ich fühle, dass ich mutiger geworden bin und in Gottes Armen liege."

AUDIO: Anne Frank: Tagebücher aus dem Versteck (15 Min)

Verrat führt zur Deportation von Anne Frank und ihrer Familie

Dieser Eintrag gehört zu den späteren, eine letzte Notiz in "Kitty" gibt es am 1. August 1944. Dann, nach zwei Jahren des Lebens im Verborgenen, wird das Versteck der Franks verraten. Obwohl es mehrere Verdächtige gibt, weiß man lange nicht, wer es war. Anfang 2022 will ein internationalesCold-Case-Team in mehr als fünfjähriger Recherchearbeit ermittelt haben, dass der Notar Arnold van den Bergh der Verräter gewesen ist - selbst ein Jude, der sich und seine eigene Familie damit retten wollte. Der Historiker Bas von Benda-Beckmann zum Beispiel hat allerdings Zweifel an dieser Theorie.

Von Westerbork in KZ Auschwitz

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Am 4. August 1944 werden Anne Frank, ihre Eltern Edith und Otto, ihre Schwester Margot und die vier anderen Bewohner des Hinterhauses abgeführt, kommen erst in ein Gefängnis und wenige Tage später in das Durchgangslager Westerbork. In den Strafbaracken müssen sie mehrere Wochen harte Arbeit verrichten - und werden am 3. September in das Konzentrationslager Auschwitz abtransportiert. Da Anne zu diesem Zeitpunkt bereits 15 Jahre alt ist, wird sie nicht direkt in die Gaskammer geschickt und entgeht damit zunächst dem Tod. Mit ihrer Mutter und ihrer Schwester kommt sie ins Frauenlager Birkenau. Dort warten abermals Zwangsarbeit, Kälte und katastrophale hygienische Zustände in den überfüllten Baracken.

Anne und Margot werden ins KZ Bergen-Belsen deportiert

Ein Grabstein auf dem Gelände der Gedenkstätte Bergen-Belsen erinnert an die Schwestern Anne und Margot Frank.

Als die Nationalsozialisten angesichts der näherrückenden Alliierten beschließen, Auschwitz zu räumen, werden Anne und ihre Schwester ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert - und von ihrer Mutter getrennt. In Bergen-Belsen trifft Anne ihre Schulfreundin Hannah Goslar wieder, doch es kommt nur zu kurzen Kontakten an einem Zaun, da Hannah als "Austauschjüdin" in einem anderen Lagerteil gefangen gehalten wird. Die Zustände sind auch in Bergen-Belsen desaströs: Die Baracken maßlos überfüllt, Tote liegen herum, Krankheiten wie Fleckfieber und Thypus breiten sich rasend schnell aus. Beide Schwestern erkranken schwer und sterben im Frühjahr 1945. Erst Margot, wenige Tage später auch Anne - nur kurz bevor die Briten das KZ befreien. Ihr Grab befindet sich auf dem Gelände der heutigen Gedenkstätte Bergen-Belsen.

Miep Gies rettet Annes Tagebuch durch den Krieg

Miep Gies - hier 2010 mit ihrem Mann im Anne-Frank-Haus - hat das Tagebuch von Anne Frank für die Nachwelt aufbewahrt.

Ihre Mutter ist da bereits tot. Sie war - ebenfalls krank und geschwächt - im Januar in Auschwitz-Birkenau gestorben. Otto Frank ist der einzige der in seinem Hinterhaus abgetauchten Juden, der den Holocaust überlebt - er gehört zu denen, die am 27. Januar 1945 von der Roten Armee aus dem KZ Auschwitz befreit werden. Nach Kriesgende kehrt er zunächst in die Niederlande zurück. Dort trifft er Miep Gies wieder, die den Franks 1942 geholfen hatte, unterzutauchen - und sie übergibt ihm einen ganz besonderen Schatz: das Tagebuch von Anne, das sie - verstreut in einzelne Blätter - im Versteck gefunden und aufbewahrt hat.

Tagebuch der Anne Frank wird zur Weltliteratur

Anne Frank ist zu einem Symbol des Holocaust geworden - und ihr Tagebuch zu einem Stück Weltliteratur.

Otto Frank beschließt, das Tagebuch zu veröffentlichen. 1947 erscheint es erstmals auf Niederländisch. Bis zu seinem Tod 1980 in der Schweiz kümmert er sich um die Hinterlassenschaft seiner Tochter und trägt ihr Erbe weiter. Mittlerweile ist das Tagebuch der Anne Frank in mehr als 50 Sprachen übersetzt worden und wird auf der ganzen Welt gelesen, auch in Schulen und auf Gedenkveranstaltungen. Anne Frank selbst ist zu einem Symbol geworden für alle jüdischen Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus gefangen genommen und getötet wurden.

Anne-Frank-Tag setzt Signal gegen Antisemitismus

Der Unterschlupf der Familie Frank in der Amsterdamer Prinsengracht ist seit 1960 das Museum Anne-Frank-Haus und wird alljährlich von Tausenden Menschen aufgesucht. Seit 2017 veranstaltet die deutsche Partnerorganisation, das Anne Frank Zentrum in Berlin, am Geburtstag von Anne Frank - dem 12. Juni - mit dem Anne-Frank-Tag einen bundesweiten Aktionstag gegen Antisemitismus und Rassismus.

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